So richtig rund lief es in der Transportbranche schon vor der Krise – genauer: in der zweiten Vorjahreshälfte – nicht mehr: „Bereits im dritten Quartal war ein merkliches Einbrechen der Wirtschaft in der Speditionsbranche spürbar“, berichtet Alfred Wolfram, Obmann des Fachverbandes Spedition und Logistik in der Wirtschaftskammer (WKO) und Geschäftsführer der Wolfram Logistik GmbH. „Dieser Rückgang setzte sich leider auch im vierten Quartal fort und es zeigte sich nicht die erhoffte Stabilisierung, sondern bereits die ersten Anzeichen einer Abkühlung.“ 2018 hatten die rund 1.800 österreichischen Logistikunternehmen noch insgesamt 13,6 Milliarden Euro erwirtschaftet. Für die Folgejahre muss man nun wohl mit einem Rückgang rechnen. Von der Pandemie besonders stark betroffen sind die Seefracht- und Luftfrachtbranche. Der Seeverkehr wurde stark ausgedünnt und viele Abfahrten wurden gestrichen. Damit geriet die Containerverteilung weltweit ins Ungleichgewicht: Während in Europa die Container knapp wurden, stapelten sie sich in China. Den Landverkehr habe es laut Wolfram im Vergleich zwar weniger stark erwischt – dank Zuwächsen im Lebensmittel- und Onlinehandel. Aber auch der Straßentransport leidet natürlich unter der schlechten wirtschaftlichen Gesamtsituation.
Bedrohung Brexit
Es ist unwahrscheinlich, dass sich das so bald ändert. Und auch wenn Corona gerade das alles bestimmende Thema ist, sind zudem die alten Probleme auch nicht aus der Welt: „Die Gefahr eines No-
Deal-Brexits ist eine realistische Bedrohung für die Speditionsbranche“, zeigt sich Wolfram besorgt. Falls ein solcher Brexit ohne Abkommen geschehen würde, stelle das die personellen Ressourcen vor große Herausforderungen – im Zollbereich wie auf Seite der Unternehmen. „Die direkte und indirekte Vertretung und die damit in Verbindung stehenden Haftungsprobleme, die bereits zum aktuellen Zeitpunkt massive Probleme in der Branche verursachen, würden sich dadurch noch vergrößern.“ Auch die von der Europäischen Union geforderte Erreichung der Klimaziele für 2030 sei für die Speditionsbranche eine große Aufgabe: „Vor allem ist es schwierig, Planungssicherheit bei langfristigen Investitionen zu haben, aber auch Fahrzeuge am Markt zu finden, die die Anforderungen erfüllen.“ Eine ökologischere Gestaltung der Lagerhaltung sei relativ einfach zu erzielen durch den Einsatz von Photovoltaik, aber im Bereich der Fahrzeuge werde eine Veränderung erwartet, die die Branche grundlegend verändern wird – zum Beispiel durch die flächendeckende Umstellung der Branche auf Erdgasantriebe.
Ein zweischneidiger Boom
Einer der größten hiesigen Logistikdienstleister, die Österreichische Post, sieht sich für diese Aufgabe aber gewappnet: „Wir sind Innovationsführer im Bereich grüner Logistik“, verkündet Peter Umundum, Vorstand Paket und Logistik, stolz. Die Post betreibe den größten E-Fuhrpark des Landes mit bald 2.100 E-Fahrzeugen und habe fünf eigene Photovoltaikanlagen in Betrieb, mit deren Strom die eigene Flotte selbst versorgt wird. „Zudem stellen wir ja bereits seit 2011 alle Sendungen in Österreich CO2-neutral zu. Bis 2030 machen wir das sogar CO2-frei, in Graz schon ab dem nächsten Jahr.“ Auch im Rückblick auf 2019 zeigt sich Umundum zufrieden: „Unser Geschäft hat sich im Jahr 2019 trotz herausfordernder Rahmenbedingungen sehr zufriedenstellend entwickelt.“ Der Konzernumsatz konnte um 3,2 Prozent auf rund zwei Milliarden Euro gesteigert werden. Ein starkes Wachstum im Paketbereich von 14,5 Prozent habe das rückläufige Geschäft im Brieftransport und bei Wurfsendungen mehr als kompensiert. Da wegen Corona 2020 viele noch mehr von zu Hause aus einkaufen, wuchsen die Paketsendungen nochmal massiv: „Es kam zu Paketmengen, die wir ansonsten nur von Weihnachten kennen.“ Normalerweise könnte sich eine Geschäftsführung darüber sehr freuen, aber da heuer alles anders ist, geht dieser Boom mit großen betrieblichen Anstrengungen einher: „Dieser Zuwachs ist verbunden mit erheblichen Kosten für die Sicherheit der Beleg- und Kundschaft sowie die außerordentlich hohe Kapazitätsauslastung der Logistikinfrastruktur. Wir haben viele unserer Prozesse von einem Tag auf den anderen umgestellt und die kontaktlose Zustellung eingeführt, Schichtpläne entzerrt, Hygiene- und Sicherheitskonzepte umgesetzt.“ Dennoch geht Umundum davon aus, dass der Umsatz 2020 trotz aller Umstände weitgehend stabil bleiben wird. Besonders schwierig sei es aber nach wie vor mit Sendungen ins und vom Ausland. Aufgrund zahlreicher Bestimmungen sind noch immer viele Länder nicht erreichbar. Umundum: „Wir sind aber mit den anderen Postgesellschaften gut vernetzt und suchen hier tagtäglich nach neuen Ableitungsmöglichkeiten.“
Ganz neue Netze
Die intensive Kommunikation mit den Geschäftspartnern ist auch für Hermann Költringer, Geschäftsführer von Quehenberger Logistics, einer der Schlüssel, um diese Krise zu bewältigen: „Es ist für alle eine schwierige Situation: Die Betriebe stehen genauso unter Kostendruck wie der Handel oder wir in der Logistik. Da kann man nicht einseitige Lösungen diktieren, sondern muss versuchen, gemeinsam abzuwägen, was etwas kostet und was es bringt.“ Das Unternehmen aus dem salzburgerischen Straßwalchen hatte das bereits zum Anfang des Vorjahres getan: Es wurde sich von einigen Aktivitäten verabschiedet und bestimmte Branchen rückten in den Fokus – mit Erfolg: 2019 erwirtschaftete man an 81 Standorten in 18 Ländern insgesamt einen Umsatz von 460 Millionen Euro. Insbesondere in Osteuropa wuchs das Unternehmen laut Költringer zuletzt stark: Die Quehenberger-Standorte in Russland, der Slowakei, Rumänien, Serbien und der Ukraine wurden deshalb im vergangenen Jahr im Blick auf die lokal verstärkte Nachfrage flächen- und lösungsorientiert erweitert. Auch für 2020 erwartete man daher ein weiteres organisches Wachstum. Diese Aussicht habe man pandemiebedingt aber inzwischen korrigiert. Költringer rechnet mit einem Umsatzeinbruch von zehn Prozent. Vor größeren Verlusten wurde Quehenberger vor allem durch die divers zusammengesetzte Kundschaft aus verschieden betroffenen Geschäftsfeldern bewahrt. Das Krisenmanagement während des Lockdowns habe man gut gelöst, aber die Zeiten blieben auch nach den ersten Lockerungen nicht einfach: „Wir mussten Netze ganz anders dimensionieren, Belieferungsrhythmen neu vereinbaren und hatten mit völlig anderen Kapazitäten zu tun. Das war eine schwierige Phase mit viel Arbeit, die zum Teil auch weiter anhält.“ Von der Normalität ist also auch die Logistikbranche noch weit entfernt.