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Interview

Was ist los bei der Brau Union, Herr Schörghofer?

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 18.04.2023 - 13:30

KEYaccount: Fangen wir mit dem Thema an, das die Öffentlichkeit in Sachen Bier derzeit am meisten bewegt: die Preiserhöhungen. Ist hier das Ende der Fahnenstange erreicht? Und wie beurteilen Sie die aktuelle Situation im Lebensmittelhandel?

Klaus Schörghofer: Preiserhöhungen sind immer dann nötig, wenn es auf der anderen Seite Kostensteigerungen gibt. Wir als Brau Union hatten in den vergangenen Monaten Kostensteigerungen in dreistelliger Millionenhöhe zu verzeichnen. In so einer Situation gibt es zwei Möglichkeiten: die Kosten teilweise weitergeben und die Kosten intern auffangen. Wir haben beides versucht – und zwar immer mit der Prämisse, dass wir von den Kostensteigerungen, die bei uns angekommen sind, keinen Tropfen mehr als nötig weitergeben. Um jetzt auf Ihre Frage zu kommen, ob das Ende der Fahnenstange erreicht ist: Wir haben das umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben. Man wird sehen, wo die Reise bei Energie, Rohstoffen und Personalkosten hingehen wird.

Wann sind die nächsten Preisverhandlungen geplant?

Aktuell ist hier gar nichts geplant. Alles hängt davon ab, wie sich die Situation etwa an den Rohstoffmärkten in den kommenden Monaten entwickelt. Man muss eines sagen: Bier ist ein Thema, das die Menschen bewegt. Sieht man sich die nackten Zahlen von 2019 bis 2023 an, dann merkt man schnell, dass die Preissteigerungen bei Bier im Vergleich zu anderen Lebensmitteln im unteren Drittel angesiedelt sind.

Im LEH gleichen die Ketten die Erhöhungen durch Aktionen aus. Die Gastronomie hat diese Möglichkeit nicht. Wir sitzen hier gemeinsam im CafÈ Museum in Wien. Das Krügerl kostet laut Karte sechs Euro. Wird Bier in der Gastronomie heuer zum Luxusgut?

Die Wirtinnen und Wirte sind für uns extrem wichtig. Auch deshalb, weil sie unsere Markenbotschafterinnen und -botschafter sind. Man muss aber auch mal die Situation in Österreich mit jener in anderen Ländern vergleichen. Ich denke etwa an Italien, an Frankreich oder an Spanien. Dort ist inzwischen ein ganz anderes Preisniveau in der Gastronomie angekommen. Unser großes Ziel heißt: Bier muss auch in der Gastronomie weiterhin leistbar bleiben. Daran arbeiten wir täglich. Aber: Auch alle anderen Lebensmittel werden derzeit teurer. Viele noch viel stärker als Bier. Aber wie bereits gesagt: Der Bierpreis und vielleicht noch der Spritpreis sorgen in Österreich für Emotionen. Bei aller Wertschätzung: Wer Schuhbänder produziert, wird bei Preissteigerungen wahrscheinlich mit weniger Emotionalität vonseiten der Konsumentinnen und Konsumenten konfrontiert sein, als wir.

Das Verhältnis Handel und Industrie scheint aktuell an einem Tiefpunkt angelangt zu sein. Vonseiten der Handelsunternehmen hört man immer wieder, dass gerade große Konzerne die Preissteigerungen dafür verwenden, um höhere Gewinne zu erzielen. Was sagen Sie zu dem Vorwurf?

Hier ist es ganz wichtig, dass man Fakten in die Diskussion einbringt. Das Handelsgeschäft geht in die Sortimentsbreite, das Markengeschäft hingegen in die Sortimentstiefe. Dementsprechend ist klar, dass der Handel mit anderen Margen operiert als die Markenartikelindustrie. Das sind ganz einfach unterschiedliche Geschäftsmodelle. Wenn man sich das Thema der Preisanpassungen genauer ansieht, dann fällt zudem schnell auf, dass die Handelsketten die Preise für ihre Eigenmarken genauso und teilweise sogar stärker erhöht haben. Irgendwie passt das nicht mit der Kritik der Handelsunternehmen an der Industrie zusammen. 

Befürchten Sie heuer einen Konsumrückgang aufgrund der Preiserhöhungen?

Bier ist ein soziales Schmiermittel und gerade in Österreich eine harte Währung. Aber ich muss ganz offen sagen: Wir wissen nicht, ob es zu einem Rückgang kommen wird. Wir können nur unsere Marken sauber führen und unsere Wirtinnen und Wirte sowie unsere Handelspartner bestmöglich unterstützen. Österreich ist nach Tschechien das europäische Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch von Bier. Wir hoffen, das bleibt so.

Der Kostendruck führt bei der Brau Union auch unweigerlich zu Sparmaflnahmen. Aus der Branche hört man, dass auch ein Job-Abbau im Raum steht. Können Sie das bestätigen?

Ich habe den Job als Geschäftsführer der Brau Union ja vor ungefähr drei Jahren, also zu Beginn der Corona-Pandemie, übernommen. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir in dieser sehr herausfordernden Zeit keine einzige betriebsbedingte Kündigung aussprechen mussten. Aber: Ja, wenn Mengen zurückgehen, müssen wir weitere Kostenmaßnahmen ergreifen.

Kostenmaßnahmen heißen Kündigungen?

Wir sind – wie alle anderen großen Unternehmen auch – dabei, an der Kostenschraube zu drehen.

Das heiflt, dass Arbeitsplätze eingespart werden?

Am Ende des Tages werden Maßnahmen in der ganzen Produktionskette gesetzt. Das passiert in der Energiereduktion, das passiert in der Instandhaltung. Und wenn auf dem Lkw weniger Bier geladen ist, bedeutet es auch, dass weniger Lkw ausfahren.

Kleiner Themenwechsel: Seit einigen Monaten wird gegen die Brau Union vonseiten der Bundeswettbewerbsbehörde ermittelt. Was sagen Sie zum Vorwurf des Marktmissbrauchs und was ist hier der Stand der Dinge?

Wir haben mit der Behörde bis zur Klärung der Angelegenheit Stillschweigen vereinbart. Daran würde ich mich gerne halten. Was ich sagen kann, ist Folgendes: Ja, es gab die Hausdurchsuchung und wir kooperieren vollumfänglich mit der Behörde. Uns liegt wahnsinnig viel daran, dass alles gut aufgeklärt wird.

Fühlen Sie sich unschuldig?

Es ist ein komplexer Fall. Dementsprechend muss man gemeinsam mit der Behörde daran arbeiten, dass die Vorwürfe sauber aufgearbeitet werden. Ich kann und will aktuell nicht sagen, ob wir schuldig oder unschuldig sind. Das ist auch ein Teil der Vereinbarung mit der BWB.

Juristische Probleme gab es zuletzt für die Brau Union auch auf anderen Schauplätzen. Das Oberlandesgericht Linz untersagte dem Unternehmen im Vorjahr, künftig Bier unter dem Namen „Bürgerbräu Innsbruck“ herzustellen. Auch beim Linzer Bier gab es rechtliche Probleme. Was lief hier schief?

Ich beginne mit der Innsbrucker Geschichte. Ursprünglich hatten wir auf dem Rückenetikett ausgelobt gehabt, dass das Bier in Falkenstein in Osttirol produziert wird. In erster Instanz wurde gesagt, dass sei in Ordnung. In zweiter Instanz hat man festgestellt, dass es nicht in Ordnung sei. Da sieht man schon, dass es unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt. Nun drucken wir die Information, dass das Bier in Osttirol produziert wird, auf die Vorderseite, also auf das Bauchetikett. Damit ist das Thema unserem Verständnis nach erledigt.

Und der Fall Linzer Bier?

Die Marke Linzer Bier ist circa 500 Jahre alt und wurde vor 50 Jahren eingestellt. Es gab vor einigen Jahren den Wunsch des Linzer Vizebürgermeisters, dass die Marke wiederbelebt wird. Wir haben daraufhin eine kleine Menge des Biers in Zipf gebraut. Die Marke ist aber schnell gewachsen. Wir brauen zwar auch in Linz, haben hier aber nicht die Kapazitäten, um die Gesamtmenge des „Linzer Originals“ in Linz zu produzieren. Ähnlich wie beim Bürgerbräu Innsbruck haben wir auch beim Linzer Bier das Bauchetikett mit dem Hinweis versehen, dass es unter der Aufsicht des Braumeisters in Zipf gebraut wird. Es gibt aber sehr wohl Sorten des Linzer Biers, die ausschließlich in Linz hergestellt werden, etwa das Linzer Zwickl, das Linzer Edelstahl, ein Pale Ale sowie ein Weißbier.

Als Beobachter hat man den Eindruck, dass der Haussegen innerhalb der Branche ziemlich schief hängt. 2021 wurde der Verein der Unabhängigen Privatbrauereien Österreichs gegr¸ndet mit dem dezidierten Ziel, Widerstand gegen die Marktmacht der Konzerne zu leisten. Damit ist ja ganz offensichtlich Ihr Unternehmen gemeint. Warum ist die Stimmung so vergiftet?

Das ist eine längere Geschichte. Früher gab es die sogenannten Kulturbrauer. Jetzt gibt es den Verein der Privatbrauereien. Ich sage es ganz klar: Wenn ich wo hinkomme und ich habe die Wahl zwischen dem Seiterl eines Mitbewerbers oder einem Achtel Wein, dann nehme ich das Bier. Mir ist als Marktführer also wichtig, dass die Kategorie wächst. Es ist wie beim Tennis: Man kämpft um jeden Punkt, aber danach muss man sich übers Netz wieder die Hand geben können. Ich finde es auch wichtig, dass sich so viele Brauereien positionieren wollen. Wenn sich diese Brauereien zu einem Verein zusammenschließen, dann ist das also ihre Sache. Wir sind stolz darauf, dass wir mit zehn Brauereien und 30 Logistikstandorten in Österreich verankert sind. Streit hilft bekanntlich nie jemandem. Das weiß man ja aus der Politik.

Sollten Sie als Marktführer nicht vielleicht den kleineren Mitbewerbern die Hand reichen?

Ich komme gerade von einer Sitzung des Brauereiverbandes. Dort sind alle Brauereien organisiert. Und auch heute gab es wieder einen guten Austausch. Wir haben alle gemeinsam ein Bier getrunken. Das ist ja kein schlechtes Zeichen.

Kommen wir zum Abschluss zu Ihren Bieren. Bei welchen Produktkategorien sehen Sie künftig die größten Wachstumschancen?

Ich glaube, dass in Österreich sehr viele Brauereien sehr glaubwürdige, natürliche Getränke herstellen. Da rede ich nicht nur von der Brau Union, sondern von der gesamten Kategorie. Natürlichkeit ist unser großes Asset. Es müssen dabei auch nicht immer alkoholhaltige Getränke sein, sondern können auch gesundheitsbewusste Alternativen sein. Da sehe ich für die Zukunft große Wachstumschancen.