Der Vorwurf der BWB wiegt schwer. Die Brau Union, Österreichs mit Abstand größter Bierkonzern, betreibe Marktmissbrauch. Die Behörde hat dem Kartellgericht nun einen Antrag für eine Geldbuße übermittelt. Dieser wurde übrigens nicht nur gegen die Brau Union, sondern auch gegen den Mutterkonzern Heineken eingebracht. Das ist insofern von Bedeutung, da sich das potenzielle Strafmaß an der Höhe des Jahresumsatzes orientiert. Heineken setzte im abgelaufenen Geschäftsjahr 30,8 Milliarden Euro um, die Brau Union erwirtschaftete zuletzt 850 Millionen Euro. Als Höchststrafe kann das Kartellgericht eine Geldbuße in der Höhe von bis zu zehn Prozent des jährlichen Konzernumsatzes verhängen. Ausdrücklich betont die BWB in ihrer Aussendung, dass dem Mutterkonzern Heineken zwar keine eigene Beteiligung an den Verstößen vorgeworfen wird, er aber trotzdem mithaftet.
Vor zwei Jahren war bekannt geworden, dass die Behörde gegen die Heineken-Konzerntochter ermittelt. KEYaccount war damals das erste Medium überhaupt, das die Story öffentlich gemacht hat. Doch alles der Reihe nach: Am Anfang stand ein Whistleblower, der die BWB mit Erstinfos versorgte. Daraufhin fand am Linzer Firmensitz der Brau Union eine Hausdurchsuchung statt. Bei dieser wurden physische und elektronische Daten sichergestellt, die mit den Verdachtsmomenten in Zusammenhang stehen. Neben der Auswertung des Datenmaterials wurden auch umfangreiche Auskunftsverlangen an die Marktteilnehmer verschickt und Zeugen einvernommen. Nun, zwei Jahre später, haben sich die Vorwürfe erhärtet. Das zumindest behauptet die BWB. Jetzt ist das Kartellgericht am Zug.
Die fünf Vorwürfe der BWB
Fest steht: Die BWB hat in der Causa Brau Union keine halben Sachen gemacht. Die Biersuppe ist sozusagen besonders dick: Der Antrag auf Geldbußen umfasst immerhin 260 Seiten plus 145 Seiten Anhang. In einem ersten Interview beschreibt BWB-Generaldirektorin Natalie Harsdorf-Borsch das angebliche Vorgehen der Brau Union so: „Es ist ein Bündel von Maßnahmen gesetzt worden, das darauf abzielt, die konkurrierenden Bierhersteller zu beschränken und bestehende Getränkehersteller vom Markt zu verdrängen, um die eigene Marktmacht auszubauen.“ Laut Harsdorf-Borsch ist der Biermarkt als Ganzes bedroht: „Es besteht die Gefahr einer Monopolisierung.“ Konkret gibt es fünf Vorwürfe, die von der BWB gegen die Brau Union erhoben wurden.
1. Behinderungsmissbrauch
Ein Behinderungsmissbrauch kann unterschiedliche unzulässige Durchführungsmodalitäten, wie unter anderem Ausschließlichkeitsverpflichtungen, Rabattierungen und Beendigung der Geschäftsbeziehung, umfassen. Bei einem Behinderungsmissbrauch werden die Wettbewerbsmöglichkeiten dritter Unternehmer vom marktbeherrschenden Unternehmen wesentlich beeinträchtigt.
2. Wettbewerbsverbote und Alleinbezugsverpflichtungen
Unter Alleinbezugsverpflichtungen sind grundsätzlich Vereinbarungen zu verstehen, die den Abnehmer dazu verpflichten, mehr als 80 Prozent seiner Vertragsprodukte vom Vertragspartner zu beziehen. Dies führt dazu, dass Abnehmer eingeschränkt werden, konkurrierende Produkte zu kaufen.
3. Markenzwang undKopplungsbindungen
Ein Markenzwang ist dann gegeben, wenn ein Anbieter seine Abnehmer dazu verpflichtet, keine Produkte von anderen Wettbewerbern im Sortiment zu führen. Eine Kopplungsbindung liegt vor, wenn Abnehmer von einem Anbieter dazu verpflichtet werden, auch andere Produkte aus dem Sortiment des Anbieters zu beziehen. Die Abnehmer können dadurch in ihrer wirtschaftlichen Freiheit beschränkt werden, da der Anbieter seine Stärke am Markt ausnützt, um den Absatz seiner weniger begehrten Produkte zu fördern.
4. Markt- und Kundengruppenaufteilungen
Bei Markt- und Kundengruppenaufteilungen vereinbaren Unternehmen, dass diese in bestimmten Gebieten oder bei bestimmten Kundengruppen nicht zueinander in den Wettbewerb treten. Dabei kann es unter anderem zu einer Verringerung des markeninternen Wettbewerbs kommen.
5. Austausch wettbewerbssensibler Daten
Ein unzulässiger Austausch wettbewerbssensibler Daten kann dazu führen, dass strategische Ungewissheit über das Marktgeschehen verringert oder beseitigt wird und somit die Überwachung des Marktes erleichtert beziehungsweise die Überwachung von Markteintritten konkurrierender Unternehmen ermöglicht wird.
Natürlich hat die BWB auch die Brau Union mit diesen Vorwürfen konfrontiert. Die Antwort des Unternehmens war aber laut Harsdorf-Borsch wenig überzeugend: „Aus unserer Sicht hat die Brau Union diese Vorwürfe größtenteils nicht entkräften können. Darum gehen wir jetzt den nächsten Schritt und bringen den Fall vor Gericht.“ Bei der Brau Union gibt man sich angesichts der jüngsten Entwicklungen wortkarg: Ein laufendes Verfahren wolle man nicht kommentieren, heißt es aus der Unternehmenszentrale.
Es brodelt in der Branche
In der Bierbranche sorgen diese jüngsten Entwicklungen für gehöriges Aufsehen. Bereits vor wenigen Wochen hatte Hubert Stöhr, der Obmann des Vereins der unabhängigen Privatbrauereien, im KEYaccount-Interview beklagt, dass „die Vielfalt und die Bierkultur zusehends unter Druck geraten.“ Auch Niki Riegler, Eigentümer der Privatbrauerei Hirt, kristisiert im KEYaccount-Gespräch, die Vorgehensweise „der Großkonzerne“ scharf (siehe Interview Seite 7). Aber selbst innerhalb des Heineken-Konzerns gehen die Wogen dem Vernehmen nach hoch. In den vergangenen Monaten und Jahren sorgte die Brau Union immer wieder mit juristischen Problemen und fragwürdigen Unternehmensentscheidungen für Negativschlagzeilen. Zuletzt gab der holländische Brau-Union-Boss Hans Böhm gegenüber KEYaccount eine Standortgarantie für die Villacher Brauerei ab, nur um diese kurz darauf in eine Schaubrauerei zu verwandeln. Das Villacher Bier wird – zum Unmut vieler Kärntnerinnen und Kärntner – künftig ausgerechnet im Nachbarbundesland, also in der Steiermark, gebraut. Wie lange kann und will sich Heineken den „Problemfall“ Österreich noch leisten? Das fragt man sich in der Branche bereits hinter vorgehaltener Hand.
Aber wie werden all diese Entwicklungen im Mutterkonzern tatsächlich gesehen? Eine entsprechende Einschätzung ist schwierig. Schon seit Längerem aber gibt es Indizien dafür, dass die niederländische Mutter mit den Geschäftsgebarungen ihrer Austro-Tochter nicht immer glücklich ist. Es ist vielleicht auch kein Zufall, dass nach Langzeit-Boss Markus Liebl – ein Mitglied des traditionellen österreichischen Bier-Adels – und dem oberösterreichischen Kurzzeit-Chef Klaus Schörghofer nun mit Hans Böhm ein dezidierter Heineken-Mann und gebürtiger Holländer in Linz am Steuer sitzt. Der Umschwung ist aber trotz dieser Personalrochade bisher aber ausgeblieben. Der Holländer hat in seiner erst kurzen Amtszeit bereits so manches Glas zerschlagen – Stichwort Villacher.
Wechsel in der Kommunikation
Turbulente Zeiten sorgen in Konzernen oft auch personell für überraschende Änderungen. Auch bei der Brau Union ist das aktuell der Fall. Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, verlässt Gabriela Maria Straka mit Ende September die Brau Union, um „neue berufliche Herausforderungen in Angriff zu nehmen“, wie es in einer Aussendung des Unternehmens heißt. Die Wirtschaftswissenschafterin und Diplom-Biersommeliere hat 12 Jahre die Unternehmenskommunikation geleitet und den Bereich Nachhaltigkeitsagenden in der Brau Union Österreich maßgeblich aufgebaut. Zudem war sie Mitglied der Geschäftsführung. Mehrfach wurde Straka in den vergangenen Jahren als beste Unternehmenssprecherin in der heimischen Markenartikelindustrie ausgezeichnet – zuletzt 2023. Der zeitliche Zusammenhang ihres Abschieds zu den jüngsten Entwicklungen ist augenscheinlich und sicher kein Zufall. Für die Brau Union ist Strakas Abschied auf alle Fälle ein herber Verlust – darüber sind sich Branchen-Insiderinnen und -Insider einig. Doch ihre Nachfolgerin ist bereits am Start. Bereits diese Woche, genauer am 1. Juli, übernimmt Daniela Winnicki die Agenden von Straka als Director Corporate Affairs und Mitglied der Geschäftsleitung. Die Österreicherin verfügt über nationale und internationale Berufserfahrung in den Bereichen Kommunikation, Nachhaltigkeit, Change-Management und Transformation aus verschiedenen Branchen. Mit der Bierbranche hatte Winnicki bisher wenig Berührungspunkte. Zuletzt verantwortete Winnicki die globale Transformationskommunikation bei Bayer Pharma in Berlin. Bevor sie 2013 zu Bayer kam, war sie in verschiedenen leitenden Funktionen in den Bereichen der externen, internationalen und internen Kommunikation bei der Telekom Austria Group und A1 tätig.